GHDI logo

Selbstbeschreibung der Mitglieder einer Berliner Kommune (7. Oktober 1968)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Eine Kommune darf nicht irgend etwas sein, wo die Leute gezwungen sind, für immer und ewig zusammenzubleiben. Es müßte so viele Kommunen geben, daß man jederzeit wechseln kann. Zum Beispiel Antje von der K I: die war erst in der K I, dann in der K II, und jetzt ist sie in der Pots-Kommune. Man sucht sich halt die Leute aus, mit denen man am besten zusammenleben kann.

Die K I hat in der Fabrik, wo sie jetzt wohnen, einen einzigen Raum, in dem sie alle zusammen leben. Ich stelle mir das fürchterlich vor. Wie willst du dich da zurückziehen? Ich halte es doch für sehr wichtig, daß man auch ein bißchen Privatleben hat. Man kann nicht so ausgerichtet sein, daß alles Individuelle verlorengeht. Im Gegenteil: Individuelle Eigenarten müssen gefördert werden.

Es wäre natürlich sehr schön, wenn eine Kommune gleichzeitig eine Arbeitsgemeinschaft wäre. Das ist aber auch nicht immer zu erreichen. Unsere Aktionen haben wir immer gemeinsam gemacht. Nur neuerdings haben sich verschiedene Meinungen ergeben, was die ČSSR-Frage betrifft.

Durch solche Meinungsverschiedenheiten ergeben sich dann natürlich auch finanzielle Schwierigkeiten. Da spitzt sich auf einmal alles zu. Jeder sucht plötzlich den Grund dafür in irgendwelchen Kleinigkeiten. Die K I hat uns gegenüber eine ziemlich entgegengesetzte Konzeption. Allein schon durch die sexuellen Bindungen innerhalb der Kommune kommen die viel eher zu einer gemeinsamen Haltung. Bei uns prägen sich die einzelnen Typen in ihrer eigenen Art aus.

Man kann die Kinder nicht so erziehen, wie man es gerne hätte. Das geht schon wegen der Räumlichkeiten nicht. Wir können sie einfach nicht so toben und lärmen lassen, wie wir wollen, weil sie uns stören: Es ist dann zu laut in einer so kleinen Wohnung.

Wir kümmern uns alle um die Kinder. Sie müssen morgens fertiggemacht werden, das erledigt meist Heike. Wir wollen überhaupt nicht, daß bei den Kindern eine Elternbindung entsteht, die dann eine Zwangsbindung ist. Die Kinder sollen sich ihre Bezugspersonen selbst aussuchen. Wenn es in einem festen Personenkreis aufwächst, bekommt das Kind nicht das Gefühl, herumgereicht zu werden.

Ich bin für die völlige Abschaffung der Familie und der Ehe, würde deshalb aber nicht Promiskuität predigen. Ich finde es eigenartig, daß so viele linke Leute heiraten, nur um zusammenzuleben und Kinder zu kriegen. Die Gefahr, sich in diese Gesellschaft zu integrieren, ist riesig groß. Selbst wenn unsere Kommune einmal auseinanderbrechen sollte, hat jeder die Fähigkeit, selbst wieder eine Kommune zu gründen oder in eine zu ziehen.



Quelle: „Kommunarden über sich selbst“, konkret, 7. Oktober 1968.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite