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Rudi Dutschke fordert die Enteignung des Springer-Verlags (10. Juli 1967)

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SPIEGEL: Ist das Werfen von Tomaten oder Rauchbomben auch eine Form der direkten Aktion?

DUTSCHKE: Tomaten und Rauchbomben sind ohnmächtige Mittel zum Zeichen des Protests, und nichts anderes. Niemand kann sich einbilden, dies sei ein Moment des wirksamen Protestes.

SPIEGEL: Sind Steine wirksamer?

DUTSCHKE: Eine systematische Provokation mit Steinen ist absurd. Steine als Mittel der Auseinandersetzung unterscheiden sich prinzipiell nicht von Tomaten. Tomaten sind ohnmächtig, Steine sind ohnmächtig. Sie können nur begriffen werden als Vorformen wirklicher Auseinandersetzungen.

SPIEGEL: Wir haben verschiedene ihrer Reden daraufhin untersucht, wie Sie sich diese Auseinandersetzung denken. Das klingt zumeist sibyllinisch, etwa so (Spiegel schaltet Tonband einer Dutschke-Rede ein): Wann endlich, meine Damen und Herren, sehen wir uns die Fabriken in Frankfurt, München, Hamburg oder West-Berlin genauer an, die direkt und unmittelbar die amerikanische Armee in Vietnam mit chemischen und elektronischen Anlagen versorgen?

Was heißt das, bitte: „Wann sehen wir uns die Fabriken einmal genauer an?“

DUTSCHKE: Das heißt: Wenn es uns Ernst ist mit der Unterstützung des Befreiungskampfes in der Dritten Welt einerseits und mit der Veränderung unserer bestehenden Ordnung hier andererseits, haben wir sehr genau uns anzuschauen, wie diese Betriebe arbeiten – nicht, um sie in die Luft zu sprengen, sondern um durch Aufklärung von Minderheiten in diesen Betrieben klarzumachen, daß man mit Unterstützung der Unterdrückung in Vietnam nicht einverstanden sein kann. Der Führer der Studenten-Revolte an der amerikanischen Berkeley-Universität, Mario Savio, deutet die andere Seite des möglichen Widerstandes an, wenn er sagt, man müsse die Leiber der Vernichtungs-Maschinerie entgegenstemmen – also passiver Widerstand, die große Verweigerung.

SPIEGEL (schaltet Tonband einer Dutschke-Rede ein): Wann endlich, meine Damen und Herren, lösen wir unser Knechtsverhältnis zu den bei uns Herrschenden? Warum beantworten wir nicht die Notstandsübungen anläßlich der Staatsbesuche, nämlich die Notstandsübungen der staatlichen Gewaltmaschinerie, warum beantworten wir die nicht mit Notstandsübungen unsererseits?

Was heißt das, bitte?

DUTSCHKE: Das soll heißen, daß in der Bundesrepublik Notstandsgesetze öffentlich diskutiert werden, aber im Grunde schon in der Alltagspraxis und speziell bei Staatsbesuchen praktiziert werden. Und Notstandsübungen unsererseits wären gerade die Versuche, unter diesen spezifischen Ausnahmebedingungen die elementarsten Formen demokratischer Freiheit – sei es Versammlungsrecht, sei es Demonstrationsrecht – praktisch anzuwenden, wie es am 2. Juni in Berlin geschah, als die Polizei dann die Demonstranten brutal zusammenknüppelte.

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