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Kulturföderalismus in der Defensive (20./21. April 1978)

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Unbeschadet dessen, daß der Bundesregierung nicht die Berechtigung bestritten werden kann, einen solchen Bericht in eigener Verantwortung und ohne Beteiligung der Länder herauszugeben, bedauert die Kultusministerkonferenz, daß die Bundesregierung den Ländern vor der Vorlage ihres Berichts keine Gelegenheit zur Abgabe einer eigenen Stellungnahme gegeben hat.

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4. Die Kultusministerkonferenz stellt fest, daß der im föderativen System gegründete mannigfache Wettbewerb der Länder um die beste Qualität des Bildungswesens einen hohen Stand differenzierter Ausgestaltung des Bildungswesens hervorgebracht und gleichzeitig kulturelle Vielfalt erhalten und gefördert hat. Eine Reihe von Schwierigkeiten, die sich dem Bürger im Bildungswesen stellen, kann durch Gesetz nicht erfaßt werden. Allerdings hat es sich nun herausgestellt, daß – unbeschadet der Vielfalt der Gestaltung in den einzelnen Ländern und innerhalb der Länder – die Sicherheit von bestimmten Eckwerten für alle Länder erforderlich ist.

5. Da nach der Verfassungsrechtsprechung die Kulturhoheit das Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder darstellt, ist bei Überlegungen für Kompetenzverteilungen im Bildungs- und Kulturbereich in besonderem Maße die Frage zu prüfen, ob die Bestandsgarantie der Länderstaatlichkeit nach Artikel 79 Abs. 3 GG berührt wird. Seit Verabschiedung des Grundgesetzes wurde das Grundgesetz 34mal geändert. Von den Änderungen brachten 29 eine Verschiebung von Kompetenzen unmittelbar oder mittelbar zu Lasten der Länder. Nach der Enquete-Kommission »Verfassungsreform« ist bereits der substantielle Entscheidungsbereich der Länder bis in die Nähe des Artikels 79 Abs. 3 GG gewährleisteten Kernbereichs geschrumpft.*

Auch aus diesen Gründen ist daher jede verfassungsändernde Maßnahme von größerem Gewicht zu Lasten der Länderkompetenz grundsätzlicher Art und vor dem Hintergrund des föderativen Systems insgesamt zu beurteilen.
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6. Den Problemen und Schwierigkeiten, auf die die Bundesregierung hinweist, kommt unterschiedliches Gewicht zu. Nicht alle haben die im Bericht dargelegte Bedeutung, vielmehr bedarf es einer differenzierten Analyse. Unbestreitbar ist allerdings, daß im Hinblick auf die von der Bundesregierung herausgestellten Grundbedingungen für Freizügigkeit und gleiche Möglichkeiten im Rahmen einheitlicher Lebensverhältnisse sowie beim Übergang zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem, die von der Kultusministerkonferenz uneingeschränkt bejaht werden, Änderungen und Verbesserungen in den genannten Bereichen notwendig und durch die Länder mit Vorrang zu realisieren sind. Die Länder sind entschlossen, besonders im Rahmen der Kultusministerkonferenz und der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, bestehende Schwierigkeiten zu bewältigen.

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* Bericht der Enquete-Kommission »Verfassungsreform« Bundestagsdrucksache 7/5924 vom 9. Dezember 1976, S.126/127.

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