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Walter Ulbricht: Ein kommunistischer Lebenslauf (1973)

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In seiner Pariser Emigrationszeit vom Herbst 1933 an hielt er es ebenso. Ulbricht schaffte sich das Informationsmonopol über die Parteiaktivität in Deutschland und spielte mit unermüdlicher Geschäftigkeit die übrige kommunistische Emigration – Thälmann war von den Nationalsozialisten aus dem Spiel genommen worden – an die Wand. Seine Fähigkeit zum Vorausahnen und fast spielerischen Mitvollziehen von Kurswechseln verfeinerte sich hier: Obwohl der VII. Komintern-Weltkongreß 1935 alle vorher praktizierten Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik entwertete, war Ulbricht nun zur „antifaschistischen Volksfront" ebenso bereit wie vorher zur fanatischen Bekämpfung von Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten" und „Steigbügelhalter der Nationalsozialisten". Aber in der kurzlebigen deutschen Emigrations-Volksfront in Paris wurde er durchschaut. Den geflüchteten deutschen Linkssozialisten war dieser weisungsgebundene „Apparatschik" zuwider. Berühmt ist Heinrich Manns Empörung über ihn: „Ich kann mich nicht mit einem Mann an den Tisch setzen, der plötzlich behauptet, der Tisch, an dem wir sitzen, sei kein Tisch, sondern ein Ententeich, und der mich zwingen will, dem zuzustimmen."


Übersiedelung nach Moskau

Aber trotz einer scheinbaren Maßregelung stieg in der Moskauer Zentrale das Vertrauen zu ihm weiter. Es überdauerte auch die Stalinsche Säuberung; obwohl auch gegen ihn aus der Zeit der schweren KPD-Fraktionskämpfe „Material" bereitlag, wurde es nicht benutzt. Er durfte immer wieder nach Paris zurückkehren, wenn er nach Moskau gerufen worden war. Und er überlebte nicht nur, sondern er leistete auch Beihilfe. Besonders in Spanien hat er um die Jahreswende 1936/37 mit André Marty Säuberungsfunktionen übernommen und für Stalin Blutschuld an deutschen sozialistischen Bürgerkriegskämpfern auf sich geladen.

Erst 1938 übersiedelte der Leipziger von Paris endgültig nach Moskau. Sein Mitemigrant Johannes R. Becher, später Kulturminister der DDR, soll dort von ihm gesagt haben: „Der Genosse Ulbricht wohnt in Moskau an einem Fluß, der Pleiße heißt." Ein Jahr später wurde ein neuer Kurswechsel, der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt, so elegant und schnell vollzogen wie alle vorangegangenen. Das absolute Vertrauen der sowjetischen Führung zu Walter Ulbricht fand Ausdruck in seiner Verwendung beim deutschen Angriff im Sommer 1941. Er durfte in Moskau bleiben, von Anfang an Propaganda gegen die Angreifer und später unter ihren Kriegsgefangenen treiben. Ein „Nationalkomitee Freies Deutschland", vor genau dreißig Jahren von ihm organisiert, sollte nach Moskauer Vorstellung eine „wahrhafte deutsche Regierung" für die Zeit unmittelbar nach Kriegsende vorbereiten.

Seit er im April 1945 als erster von Moskau mit seiner „Gruppe Ulbricht" zurückkam, gilt er als der Organisator der Sowjetisierung des Landes östlich der Elbe und schließlich der deutschen Teilung. Aber er war nur das Instrument, das für beides in langen Jahren der Erprobung am geeignetsten befunden worden war. Nach sowjetischer Meinung muß ein Friede, der diesen Namen verdienen soll, einen Umgestaltungsprozeß einleiten, der den Fortgang der Revolution sichert. Dafür müssen die sogenannten „alten Ausbeuterklassen" politisch und ökonomisch entmachtet, muß die „Arbeiterklasse" – was immer das sei – unter marxistisch-leninistischer Führung zur Einheit gezwungen, die Diktatur des Proletariates in volksdemokratischer Form errichtet werden. Dieses Programm erfüllte Ulbricht im dafür vorgesehenen Zeitraum.

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