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Ein Plädoyer für die Notstandsverfassung (15./16. Mai 1968)

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Meine Damen und Herren, wenn diese Vorlage abgelehnt würde, dann heißt das nicht, daß es keine Vorsorge für den Notfall geben wird. Es wird dann nur keine gesetzliche Grundlage dafür geben,

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

und deshalb wird niemand wissen, wie diese Vorsorge aussehen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien)

Werden sich die Alliierten in der Stunde der Not dann auf ihre Vorbehaltsrechte nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages stützen? Werden wir wiederum Vorbereitungen für diesen Fall treffen müssen? Meine Damen und Herren, wir wissen es nicht.

Werden sich Kanzler und Regierung auf ihren Amtseid berufen müssen, worin sie schwören, Schaden von unserem Volk zu wenden? Werden sie daraus das Recht und die Pflicht herleiten, das zu tun, was zur Abwehr von Schaden für unser Volk notwendig ist? Werden die Regelungen, die dann geheim und unter Ausschluß des Parlaments vorbereitet werden müssen, wirksamer und rechtsstaatlicher sein als die von uns vorbereiteten? Wir wissen es nicht.

Bringen wir uns nicht in die Lage, daß wir mangels rechtzeitiger Vorsorge in der Stunde der Not nichts anderes mehr beschließen können als das alte »Videant consules, ne quid res publica detrimenti capiat«, »mag die Regierung zusehen, daß das Vaterland keinen Schaden leide«. In diese Lage sollten wir uns nicht bringen.

(Beifall bei den Regierungsparteien)

Dieser Entwurf ist – damit verrate ich, glaube ich, keiner Seite dieses Hauses etwas Neues – ein Kompromiß, das heißt, ein Gebäude von Konzessionen und Gegenkonzessionen, bei denen man Änderungen nur einvernehmlich vornehmen kann, wenn man nicht das Ganze gefährden will. Das heißt auch, meine Damen und Herren, daß sich der Entwurf nicht deckt mit den Idealvorstellungen für eine Ausnahmeregelung, die manch einer von uns haben mag. Aber gemessen an den Maßstäben der Wirksamkeit und der Rechtsstaatlichkeit glaubt der Rechtsausschuß, daß dieser Entwurf bestehen kann. Deshalb möchte ich Sie bitten, unseren Vorschlägen Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien)

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Quelle: Beratungen der Notstandsgesetze im Deutschen Bundestag, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 174./175. Sitzung. 15./16. Mai 1968; abgedruckt in Irmgard Wilharm, Hg., Deutsche Geschichte 1962-1983. Dokumente in zwei Bänden, Bd. 1. Frankfurt am Main, 1989, S. 149-51.

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