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Ein Plädoyer für die Notstandsverfassung (15./16. Mai 1968)

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Es ist nicht wahr, daß durch diesen Entwurf den gewerkschaftlichen Rechten der Boden entzogen wird. Im Gegenteil, der Entwurf verankert das bestehende Arbeitskampfrecht ausdrücklich in der Verfassung.

Es ist nicht wahr, daß durch diesen Entwurf die staatsbürgerlichen Freiheiten beseitigt werden. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Vereins- und Versammlungsfreiheit werden durch den Entwurf nicht berührt. Auch soweit die Freizügigkeit, das Recht der Berufswahl und das Recht auf Eigentum einschränkbar gemacht werden, bleiben diese Grundrechte dem einseitigen Zugriff der Bundesregierung entzogen.

Es ist nicht wahr, daß durch diese Vorlage der Bürgerkrieg vorbereitet wird. Sowohl bei der Formulierung des staatsbürgerlichen Widerstandsrechts als auch bei der Möglichkeit der Bundesregierung, im äußersten Notfall Truppen gegen militärisch bewaffnete Aufständische einzusetzen, hat der Rechtsausschuß sich bemüht, klarzustellen, daß dies nur die Ultima ratio, das letzte Mittel sein dürfe, wenn alle anderen Mittel versagt haben.

Es ist auch nicht wahr – und ich habe aktuellen Anlaß, das zu sagen –, daß diese Vorlage eine Waffe im Kalten Krieg ist oder dazu dient, die internationalen Spannungen zu verschärfen. Ihre Verabschiedung demonstriert den Willen des deutschen Volkes zur Selbstverteidigung, aber auch nicht mehr. Indem sie dies klarstellt, mindert sie Gefahren, die aus einer Fehleinschätzung unserer Haltung entstehen könnten.

Dieser Entwurf, meine Damen und Herren, ist kein Freibrief für Abenteuer oder für einseitige Aktionen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Er ist aber auch kein Pappschwert. Er verweigert nicht Parlament und Regierung Vollmachten, deren sie bedürfen, die freiheitlichen demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen unserer Republik zu erhalten.

Dieses Gesetz ist notwendig, um die alliierten Vorbehaltsrechte zum Erlöschen zu bringen, auf Grund derer die Drei Mächte noch heute die oberste Staatsgewalt in der Bundesrepublik übernehmen können.

Dieses Gesetz ist notwendig, um die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung und der Streitkräfte und den Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall sicherzustellen, soweit dies unter den Bedingungen moderner militärischer Konflikte überhaupt möglich ist.

Dieses Gesetz ist notwendig, um der Zusammenfassung der Hilfsmittel von Bund und Ländern bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen die Rechtsgrundlage zu geben.

Dieses Gesetz ist notwendig, um von innen drohende Gefahren für die demokratische Verfassungsordnung unserer Bundesrepublik abzuwehren, von welcher Seite und mit welchen Mitteln sie auch kommen mögen.

Meine Damen und Herren, zum zweiten Male findet im Bundestag eine zweite Lesung einer Notstandsverfassung statt. Beim ersten Male gaben die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP ihre Zustimmung zu dem damaligen Entwurf. Die SPD-Fraktion erklärte sich weitgehend einverstanden, gab aber ihre Zustimmung nicht, weil einige wenige Fragen nach ihrer Ansicht nicht zufriedenstellend beantwortet waren. Diese Fragen werden durch den jetzt vorgelegten Entwurf beantwortet, und dieser Entwurf hat auch die Zustimmung von Kollegen der SPD-Fraktion gefunden. Der Rechtsausschuß hofft deshalb auf die Annahme seiner Vorlage.

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