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Währungsprobleme der ostdeutschen Urlauber (30. August 1980)

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Selbst die zwischenmenschlichen Beziehungen leiden darunter. Einheimische Mädchen angeln sich lieber einen Westler als Urlaubsbekanntschaft, weil der sie auch schon einmal in einen Devisenladen zum Einkaufen oder in eine Valutabar zu einem Drink einlädt. In einer Diskothek an Bulgariens Sonnenstrand kostete der Eintritt im letzten Jahr zehn Lewa, für die Verzehrbons ausgegeben wurden. Für einen Bundesdeutschen, der zu dem noch auf dem schwarzen Markt zu einem sagenhaft günstigen Kurs tauscht, ist das ein Klacks. Für den Reisenden aus der DDR ist es das Urlaubsbudget für 2½ Tage.

Völlig frustriert registrieren Erstreisende im sozialistischen Ausland den Unterschied zwischen östlicher Propaganda und Wirklichkeit. „Was hat man uns nicht alles über das Musterland UdSSR erzählt“, schimpft ein Tourist aus Dresden in Moskau: „Während der Barkeeper mich rausschmeißt säuft ein Texaner neben mir seelenruhig für 20 Dollar Whisky, weil in der Valutabar das Wechselgeld ausgegangen war.“ Keiner solle mehr sagen, im Lande Lenins gäbe es keine Prostitution“, meinte der Dresdner dann: „Nur wenn mich die Frauen ansprechen und ich antworte in meinem sächsischen Dialekt, dann ist es plötzlich mit der Freundlichkeit vorbei.“

Trotzdem ist der Mann froh, überhaupt ins Ausland fahren zu können. Fünf Jahre mußte er auf dieses Ereignis warten. Denn das Angebot seines „Reisebüros der DDR“ reicht bei weitem nicht aus, um die Nachfrage aller Kunden zu befriedigen. Daher werden die zur Verfügung stehenden Plätze in einer Art Losverfahren vergeben. Zu Anfang des Jahres wählen die Interessenten aus dem Katalog aus und erhalten sogenannte Vormerkkarten. Wer dann durchfällt, dem bleibt nur die Reise in eigener Regie. Die Tageszeitungen sind voll von Anzeigen, über die Reiselustige Ferienwohnungen suchen und dafür ihr eigenes Domizil zum Tausch anbieten. Auf solche Weise reisen sie dann auch wesentlich billiger. Denn die Kunden des staatseigenen Reisebüros müssen für ihren Trip wesentlich tiefer in die Taschen greifen als etwa die Bundesbürger.

Eine Reise nach Bulgarien, bei uns im letzten Jahr immerhin noch für runde 800 Mark zu haben, kostet „drüben“ 1300 Mark. Eine 6tägige Reise nach Moskau, bei uns 1979 für 499 Mark im Sonderangebot, ging in der DDR für 800 Mark über den Reisebürotisch.

Doch trotz aller Handicaps ist die Reiselust der Ostdeutschen ungebrochen. Zwar sind statistische Zahlen kaum zu erhalten, aber runde 1,2 Millionen Reisen soll das Reisebüro der DDR pro Jahr vermitteln. „Wenn die noch eine Million Touren mehr hätten, würden sie die auch noch verkaufen", glaubt eine Reiseleiterin aus Dresden. „Wir haben halt einen großen Nachholbedarf.“



Quelle: Willi Bremkes, „Wenn DDR-Bürger Urlaub machen,“ Frankfurter Rundschau, 30. August 1980.

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