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Schlussakte der Wiener Ministerkonferenzen (15. Mai 1820)

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Art. 35. Der Bund hat als Gesammt-Macht das Recht, Krieg, Frieden, Bündnisse, und andere Verträge zu beschließen. Nach dem im 2. Artikel der Bundes-Acte ausgesprochenen Zwecke des Bundes übt derselbe aber diese Rechte nur zu seiner Selbstvertheidigung, zur Erhaltung der Selbstständigkeit und äußern Sicherheit Deutschlands, und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Bundes-Staaten aus.

Art. 36. Da in dem 11. Artikel der Bundes-Acte alle Mitglieder des Bundes sich verbindlich gemacht haben, sowohl ganz Deutschland als jeden einzelnen Bundes-Staat gegen jeden Angriff in Schutz zu nehmen, und sich gegenseitig ihre sämmtlichen unter dem Bunde begriffenen Besitzungen zu garantiren, so kann kein einzelner Bundesstaat von Auswärtigen verletzt werden, ohne daß die Verletzung zugleich und in demselben Maße die Gesammtheit des Bundes treffe. –
Dagegen sind die einzelnen Bundes-Staaten verpflichtet, von ihrer Seite weder Anlaß zu dergleichen Verletzungen zu geben, noch auswärtigen Staaten solche zuzufügen. Sollte von Seiten eines fremden Staates über eine von einem Mitgliede des Bundes ihm widerfahrne Verletzung bey der Bundes-Versammlung Beschwerde geführt, und diese gegründet befunden werden, so liegt der Bundes-Versammlung ob, das Bundes-Glied, welches die Beschwerde veranlaßt hat, zur schleunigen und genügenden Abhülfe aufzufordern, und mit dieser Aufforderung, nach Befinden der Umstände, Maßregeln, wodurch weitern friedestörenden Folgen zur rechten Zeit vorgebeugt werde, zu verbinden.

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Art. 53. Die durch die Bundes-Acte den einzelnen Bundes-Staaten garantirte Unabhängigkeit schließt zwar im Allgemeinen jede Einwirkung des Bundes in die innere Staats-Einrichtung und Staats-Verwaltung aus. Da aber die Bundes-Glieder sich in dem zweiten Abschnitt der Bundes-Acte über einige besondre Bestimmungen vereinigt haben, welche sich theils auf Gewährleistung zugesicherter Rechte, theils auf bestimmte Verhältnisse der Unterthanen beziehen, so liegt der Bundes-Versammlung ob, die Erfüllung der durch diese Bestimmungen übernommenen Verbindlichkeiten, wenn sich aus hinreichend begründeten Anzeigen der Betheiligten ergiebt, daß solche nicht Statt gefunden habe, zu bewirken. – Die Anwendung der in Gemäßheit dieser Verbindlichkeiten getroffnen allgemeinen Anordnungen auf die einzelnen Fälle bleibt jedoch den Regierungen allein überlassen.

Art. 54. Da nach dem Sinn des 13. Artikels der Bundes-Acte, und den darüber erfolgten spätern Erklärungen, in allen Bundes-Staaten landständische Verfassungen Statt finden sollen, so hat die Bundes-Versammlung darüber zu wachen, daß diese Bestimmung in keinem Bundesstaate unerfüllt bleibe.

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