GHDI logo

Uneingeschränkter U-Boot-Krieg (22. Dezember 1916)

Seite 3 von 4    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Demgegenüber würde der U-Boot-Kreuzerkrieg auch nach allgemeiner Freigabe der bewaffneten Dampfer nach fünf Monaten nur eine Verringerung der nach England fahrenden Tonnage um 5 × 400 000 Tonnen — etwa 18% des gegenwärtigen monatlichen Seeverkehrs, also weniger als die Hälfte des uneingeschränkten U-Boot-Krieges ergeben. Nach den bisherigen Erfahrungen kann keinesfalls darauf gerechnet werden, daß die Freigabe der bewaffneten Dampfer ein erhebliches Mehr an versenktem Frachtraum gegenüber den in den letzten beiden Monaten erreichten rund 400 000 t bringen wird. Sie wird vielmehr voraussichtlich nur den sonst infolge fortschreitender Bewaffnung zu erwartenden Abfall ausgleichen. Ich bin mir darüber klar, daß auch der Fortfall von rund einem Fünftel des jetzigen englischen Seeverkehrs sehr störend auf die englische Versorgung einwirken wird. Ich halte aber für ausgeschlossen, daß das jetzt unter Lloyd George's zum äußersten entschlossener Leitung stehende England dadurch zum Frieden gezwungen werden könnte, zumal da die oben erwähnten Wirkungen der Fett-, Holz- und Erznot und die nachhaltige Einwirkung auf die Munitionszufuhr fortfallen. Dazu kommt der Fortfall der psychologischen Wirkungen der Panik und des Schreckens. Diese nur vom uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu erwartenden Wirkungen schätze ich als eine unentbehrliche Voraussetzung des Erfolges ein. Wie schwer sie wiegen, beweisen die Erfahrungen, die wir im Anfang des U-Boot-Krieges vom Frühjahr 1915, als die Engländer noch an seinen vollen Ernst glaubten, und sogar in dem kurzen U-Boot-Krieg vom März und April 1916 gemacht haben.

Voraussetzung ist ferner, daß Beginn und Ankündigung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges derart zusammenfallen, daß zu Verhandlungen, insbesondere zwischen England und den Neutralen, keine Zeit bleibt. Nur in diesem Falle wird der heilsame Schrecken in den Feind und die Neutralen fahren.

VI.
Die Ankündigung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges wird die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika erneut vor die Frage stellen, ob sie die Folgerungen aus der von ihr bisher eingenommenen Haltung gegenüber der U-Boot-Verwendung ziehen will oder nicht. Ich bin durchaus der Ansicht, daß der Krieg mit Amerika eine so ernste Angelegenheit ist, daß alles geschehen muß, um ihn zu vermeiden. Die Scheu vor dem Bruch darf aber meines Erachtens nicht dazu führen, im entscheidenden Augenblick vor dem Gebrauch der Waffe zurückzuschrecken, die uns den Sieg verheißt.

Auf jeden Fall ist es zweckmäßig, die für uns ungünstigere Lösung als wahrscheinlich anzunehmen und sich klarzumachen, welchen Einfluß auf den Gang des Krieges der Zutritt Amerikas zu unseren Gegnern haben würde. In bezug auf den Schiffsraum könnte dieser Einfluß nur sehr gering sein. Es ist nicht zu erwarten, daß mehr als ein geringer Bruchteil der in amerikanischen und vielleicht auch anderen neutralen Häfen liegenden Tonnage der Mittelmächte alsbald in die Fahrt nach England eingestellt werden könnte. Bei weitem der größte Teil läßt sich so beschädigen, daß er in der entscheidenden Zeit der ersten Monate nicht würde fahren können. Die Vorbereitungen dazu sind getroffen. Es würden auch zunächst keine Besatzungen dafür zu haben sein. Ebensowenig ausschlaggebende Wirkung wird man amerikanischen Truppen, die schon wegen Mangels an Schiffsraum nicht in erheblichem Umfange herübergebracht werden könnten, und amerikanischem Geld zuschreiben dürfen, das fehlende Zufuhr und Schiffsräume nicht ersetzen kann. Es bleibt nur die Frage, wie Amerika sich angesichts eines Friedensschlusses, zu dem England genötigt wird, verhalten würde. Es ist nicht anzunehmen, daß es sich dann entschließen würde, den Krieg allein gegen uns fortzusetzen, da ihm keine Mittel zur Verfügung stehen, entscheidend gegen uns vorzugehen, während sein Seeverkehr durch unsere U-Boote geschädigt wird. Im Gegenteil ist zu erwarten, daß es dem englischen Friedensschluß beitreten wird, um möglichst schnell wieder in gesunde Wirtschaftsverhältnisse zu gelangen.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite