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Schlussakte der Wiener Ministerkonferenzen (15. Mai 1820)

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Art. 12. Nur in den in der Bundes-Acte ausdrücklich bezeichneten Fällen und wo es auf eine Kriegs-Erklärung oder Friedens-Schluß-Bestätigung von Seiten des Bundes ankömmt, wie auch, wenn über die Aufnahme eines neuen Mitgliedes in den Bund entschieden werden soll, bildet sich die Versammlung zu einem Plenum. Ist in einzelnen Fällen die Frage, ob ein Gegenstand vor das Plenum gehört, zweifelhaft, so steht die Entscheidung derselben dem engern Rathe zu. Im Plenum findet keine Erörterung noch Berathung Statt, sondern es wird nur darüber abgestimmt, ob ein im engern Rathe vorbereiteter Beschluß angenommen oder verworfen werden soll. – Ein gültiger Beschluß im Plenum setzt eine Mehrheit von zwey Drittheilen der Stimmen voraus.

Art. 13. Ueber folgende Gegenstände:
1) Annahme neuer Grundgesetze, oder Abänderung der bestehenden;
2) Organische Einrichtungen, das heißt bleibende Anstalten, als Mittel zur Erfüllung der ausgesprochenen Bundeszwecke;
3) Aufnahme neuer Mitglieder in den Bund; 4) Religions-Angelegenheiten;
findet kein Beschluß durch Stimmenmehrheit Statt; jedoch kann eine definitive Abstimmung über Gegenstände dieser Art nur nach genauer Prüfung und Erörterung der den Widerspruch einzelner Bundes-Glieder bestimmenden Gründe, deren Darlegung in keinem Falle verweigert werden darf, erfolgen.

Art. 14. Was insbesondere die organischen Einrichtungen betrifft, so muß nicht nur über die Vorfrage, ob solche unter den obwaltenden Umständen nothwendig sind, sondern auch über Entwurf und Anlage derselben in ihren allgemeinen Umrissen und wesentlichen Bestimmungen, im Plenum, und durch Stimmen-Einhelligkeit entschieden werden. Wenn die Entscheidung zu Gunsten der vorgeschlagenen Einrichtung ausgefallen ist, so bleiben die sämmtlichen weiteren Verhandlungen über die Ausführung im Einzelnen der engern Versammlung überlassen, welche alle dabey noch vorkommenden Fragen durch Stimmenmehrheit entscheidet, auch nach Befinden der Umstände eine Commission aus ihrer Mitte anordnet, um die verschiednen Meinungen und Anträge mit möglichster Schonung und Berücksichtigung der Verhältnisse und Wünsche der Einzelnen auszugleichen.

Art. 15. In Fällen, wo die Bundes-Glieder nicht in ihrer vertragsmäßigen Einheit, sondern als einzelne, selbstständige und unabhängige Staaten erscheinen, folglich jura singulorum obwalten, oder wo einzelnen Bundesgliedern eine besondere, nicht in den gemeinsamen Verpflichtungen Aller begriffene Leistung oder Verwilligung für den Bund zugemuthet werden sollte, kann ohne freie Zustimmung sämmtlicher Betheiligten kein dieselben verbindender Beschluß gefaßt werden.

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Art. 18. Da Eintracht und Friede unter den Bundes-Gliedern ungestört aufrecht erhalten werden soll, so hat die Bundes-Versammlung, wenn die innere Ruhe und Sicherheit des Bundes auf irgend eine Weise bedroht oder gestört ist, über Erhaltung oder Wiederherstellung derselben Rath zu pflegen, und die dazu geeigneten Beschlüsse nach Anleitung der in den folgenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen zu fassen.

Art. 19. Wenn zwischen Bundes-Gliedern Thätlichkeiten zu besorgen, oder wirklich ausgeübt worden sind, so ist die Bundes-Versammlung berufen, vorläufige Maßregeln zu ergreifen, wodurch jeder Selbsthülfe vorgebeugt, und der bereits unternommenen Einhalt gethan werde. Zu dem Ende hat sie vor allem für Aufrechthaltung des Besitzstandes Sorge zu tragen.

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