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Zukunftsschatten?: Daniel Frymann [Heinrich Claß] (1912)

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Jede Ausdehnung in Europa ist von vornherein nur durch siegreiche Kriege herbeizuführen, da weder Frankreich noch Rußland so menschenfreundlich sein werden, uns Teile ihres Gebietes abzutreten; haben wir nun gesiegt und erzwingen wir Landabtretungen, so erhalten wir Gebiete, in denen Menschen wohnen, Franzosen oder Russen, also Menschen, die uns feind sind, und man wird sich fragen, ob solch ein Landzuwachs unsere Lage verbessert. [ . . . ]

Aber wenn man gerade der besonderen Lage des deutschen Volkes ganz auf den Grund geht, das in Europa eingeschnürt ist und unter Umständen bei weiterem starkem Wachstum ersticken würde, wenn es sich nicht Luft macht, so wird man anerkennen müssen, daß der Fall eintreten kann, wo es vom besiegten Gegner im Westen oder Osten menschenleeres Land verlangen muß – es sei denn, wir hätten besiedelungsfähige Kolonien über See oder wir wären entschlossen, wieder eine Auswanderung Deutscher im fremde Staaten zuzulassen. [ . . . ]

Also, es bleibt dabei, daß die Ausdehnung in Europa nach Osten und Westen nur im alleräußersten Notfalle in Betracht kommt; aber es bleibt zu erwägen, ob nicht der Südosten Raum für uns bietet, die von den sog, „subgermanischen“ Slawenstämmen aller Art bewohnten Teile Österreich-Ungarns und des Balkans. Unser Verhältnis zu diesem Lande wird nachher erörtert werden, aber hier sei ausgesprochen, daß eine großartige Besiedlung des Südostens eine durchaus gesunde Lösung darstellen wird – unter zwei Voraussetzungen, daß ein Verhältnis zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich-Ungarn gefunden wird, das in der Form eines ewigen Bundes eine vollständige und dauernde Solidarität der Interessen beider Staaten schafft, und außerdem, daß das Habsburger-Reich sich eine innere Staatsform gegeben hat, die die kulturelle und politische Führung der Deutschen in ihm für alle Zeiten sicherstellt, und zwar diesseits und jenseits der Leitha.



Quelle: Daniel Frymann [Heinrich Claß], Wenn ich der Kaiser wär: Politische Wahrheiten und Notwendigkeiten. Leipzig, 1912, S. 5ff.

Auch abgedruckt in Willibald Gutsche, Herrschaftsmethoden des deutschen Imperialismus 1897/98 bis 1917. Berlin (Ost): Akademie Verlag, 1977, S. 154-59.

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