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Die Unvermeidbarkeit des Krieges: General Friedrich von Bernhardi (1912)

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Dem Kriege muß auch in der öffentlichen Meinung seine sittliche Berechtigung und seine politische Bedeutung zurückgewonnen werden. Seine hohe Bedeutung als der mächtigste Kulturförderer muß ihrem Wert entsprechend allgemein anerkannt werden. Wir müssen einsehen, daß in einem wirklichen Kulturvolk die wirtschaftlichen und persönlichen Interessen allein niemals die entscheidenden sein dürfen; daß nicht die äußeren, sondern die sittlichen Güter die erstrebenswerten wahren Kulturgüter sind und daß Opfer bringen und Leiden erdulden im Interesse einer großen Sache den Menschen höher stellt als Genießen und gieriges Haschen nach sinnlichen Gütern dieser Welt; kurz, daß der Krieg um ideale Zwecke oder zur Selbstbehauptung eines edlen Volkes nicht als Barbarei, sondern als der höchste Ausdruck wahrer Kultur bezeichnet werden muß und als eine politische Notwendigkeit im Interesse des biologischen, sozialen und sittlichen Fortschritts. [ . . . ]

In diesen Ergebnissen aber beruht die biologische Bedeutung des Krieges für die fortschrittliche Entwicklung der Menschheit; denn es ist klar, daß die Kräfte, die die Überlegenheit im Kriege gewähren, nämlich vor allem die geistigen und sittlichen, wie sie nur in einem lebensstarken Volke gedeihen, zugleich die sind, die eine fortschrittliche Kulturentwicklung ermöglichen. Eben dadurch, daß sie die Elemente des Fortschrittes in sich bergen, verleihen sie den Sieg, der dem lebensstarken Volke erweiterte und günstigere Lebensmöglichkeit und gesteigerten Einfluß verschafft. Ohne den Krieg aber würden nur allzuleicht minderwertige und verkommene Rassen durch Masse und Kapitalmacht die gesunden, keimkräftigen Elemente überwuchern, und ein allgemeiner Rückgang müßte die Folge sein. In der Auslese besteht die Schöpferkraft des Krieges. Indem er und er allein eine solche bewirkt, wird er zu einer biologischen Notwendigkeit, zu einem Regulator im Leben der Menschheit, der gar nicht zu entbehren ist, weil sich ohne ihn eine ungesunde, jede Förderung der Gattung und daher auch jede wirkliche Kultur ausschließende Entwicklung ergehen müßte.



Quelle: Friedrich von Bernhardi, Unsere Zukunft: Ein Mahnwort an das deutsche Volk. Stuttgart-Berlin, 1912, S. 22ff, 54, 56, 60.

Dokument zitiert in Willibald Gutsche, Herrschaftsmethoden des deutschen Imperialismus 1897/98 bis 1917. Berlin (Ost), 1977, S. 153-54.

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