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Ein Polizeibeamter beschreibt das Verhalten von Arbeitern in einer Hamburger Taverne (1898-1909)

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II. 11. Juli 1903

Von 9.45 bis 10.30 Uhr wurde die Wirtschaft von v. Hacht, Brückenstraße Nr. 28, Parterre, besucht. Anwesend waren sieben Arbeiter, von denen einer folgendes sagte: «Die herrschenden Klassen geben sich die größte Mühe, die gesetzlichen Rechte der Arbeiter zu beschränken und ihre Ausstände zu ungesetzlichen Unternehmungen zu machen. Vor allen Dingen suchen sie, das Koalitionsrecht zu unterdrücken, um mit Hilfe der Polizei das Streikpostenstehen illusorisch zu machen. Mögen die herrschenden Klassen aber noch so viel dagegen tun wie sie wollen, es wird immer eine Unmöglichkeit bleiben, Leute, die einmal ihre Arbeit niedergelegt haben, diese zur Aufnahme derselben wieder zu zwingen. Man müßte schon, wenn dieses geschehen sollte, wieder zur Sklaverei zurückkehren. Dieses ist aber bei dem Umfange, den die Sozialdemokratie angenommen hat, nicht möglich, auch würde die bürgerliche Gesellschaft damit nicht einverstanden sein.»

Ein anderer sagte: «Die größten Feinde der Arbeiter sind nicht unter den herrschenden Klassen zu suchen, sondern unter den Arbeitern selbst, und dieses sind die Streikbrecher. So sehr sich die herrschenden Klassen auf ihre Macht, das ist Militär und Polizei, stützen können, so wird dieselbe doch illusorisch, sobald die Arbeiter eine gute Disziplin halten; und droht ihnen nur unter diesen Umständen eine Niederlage durch das Streikbrechertum. Das Streikbrechertum ist den Arbeitern vorläufig am gefährlichsten und muß gegen dieses am meisten gekämpft werden.»

Ein anderer sagte: «Man muß zugeben, daß das Streikbrechertum den Arbeitern jetzt am gefährlichsten ist, aber die Solidarität hat besonders in letzter Zeit ganz ungeheure Fortschritte gemacht. Was früher gang und gäbe war, Ausländer als Streikbrecher zu verwenden, ist jetzt bald unmöglich geworden, und die Italiener, die früher als fliegende Streikbrecherkolonnen umherzogen, sind durch die unermüdliche Arbeit der Organisationen soweit aufgeklärt worden, daß sie jetzt Streikbrecherdienst verweigern. Wenn die Fortschritte der Arbeiter gegen das Streikbrechertum noch einige Zeit so weitergehen, was ganz bestimmt zu erwarten ist, so ist dieses weniger als die Machtmittel der herrschenden Klassen zu fürchten.»


Quelle: Hinz, 11. Juli 1903. Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg (Signatur: S 3930).

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