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Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn von Ludwig Quidde (1894)

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aufzuleben (13); gegen das Delatoren-Unwesen, das etwa politischem Lockspitzeltum unserer Tage vergleichbar ist, würde eingeschritten (14) und damit das öffentliche wie das private Leben von einem seiner schlimmsten Schäden befreit, die Schriften des Labienus, des Cremutius Cordus und des Cassius Severus, die als staatsgefährlich verboten waren, wurden wieder freigegeben (15), politische Gefangene mit einer Amnestie bedacht, Prozesse wegen Majestätsbeleidigung niedergeschlagen und die Gesetze, die dieses Vergehen mit schweren Strafen bedrohten, außer Anwendung gesetzt (16). Auch drückende Steuern, die gerade den kleinen Verkehr der breiten Massen drückten, wurden erlassen und Erleichterungen zu gunsten der ärmsten Klassen bei der Getreideversorgung eingeführt, — von den Spielen, die Caligula nach dem alten Rezept „panem et circenses" in Aufschwung brachte, zu schweigen. So schien mit der größeren Freiheit auch eine Ära der sozialen Reformen oder doch einer volkstümlichen Behandlung wirtschaftlicher Fragen heraufzuziehen.

Aber schon in diesen ersten Anfängen des Caligula, während der Jubel eines leicht zum Beifall begeisterten Volkes ihn umgab, werden vorsichtige Beobachter sich sorgende Gedanken gemacht haben.

* * *

Es war das berauschende Gefühl der Macht, das Bewußtsein, nun plötzlich an erster Stelle zu stehen, der Wunsch, etwas Großes zu wirken und vor allem der Trieb, in der Weltgeschichte zu glänzen, was den Caligula zeitweilig über sich selbst hinaufhob. Ihn packte in dieser so außerordentlichen Veränderung seines Lebens der Ehrgeiz, sich nun durch etwas hervorzuthun, was ihm im Grunde fremd war, durch Freisinn und Pflege des Gemeinwohls. Zugleich aber zeigten sich gar bald bedenkliche Eigenschaften. Es fehlte das feste Fundament einer in inneren Kämpfen gewonnenen ausgeglichenen Lebensanschauung; die Haupttriebfeder seiner Handlungen war nicht der Wunsch, Gutes zu schaffen, sondern der Ehrgeiz, als Förderer populärer Bestrebungen bewundert zu werden und als großer Mann auf die Nachwelt zu kommen (17); der durchgehende Charakterzug seiner Maßregeln war eine nervöse Hast, die unaufhörlich von einer Aufgabe zur andern eilte (18), sprunghaft und oft widerspruchsvoll, und dazu eine höchst gefährliche Sucht, alles selbst auszuführen.

Die Kaltstellung des Macro, von der wir schon sprachen, ist wesentlich unter diesem Gesichtspunkte zu beurteilen. Zwar scheint es, daß die Beziehungen zwischen den beiden Männern nicht ganz oder doch nicht für immer abgebrochen wurden; denn Macro kam in die Lage, dem jungen Kaiser Rat zu erteilen, ihm Mäßigung und Besonnenheit anzuempfehlen (19). Doch bekam ihm seine Warnerrolle schlecht; er erregte nur den höchsten Zorn des Kaisers, der sich dann in blutigem Wüten gegen ihn und seine Familie wandte (20). Die dankvergessene Behandlung des Macro wird unter den Umständen, die die Popularität des Caligula erschüttert haben, besonders namhaft gemacht.


(13) Ebendort.
(14) Sueton 15.
(15) Sueton 16.
(16) Dio Cassius 59, 6. Sueton 15.
(17) Vergl. die charakteristische Äußerung bei Sueton 16: quando maxime sua interesset ut facta quaeque posteris tradantur.
(18) Dio Cassius 59, 4: [ . . . ].
(19) Philo, Legatio ad Gaium 7.
(20) Philo 8. Sueton 26. Dio Cassius 59, 10.

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