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Gedanken eines liberalen Journalisten zum Charakter des Generationenkonflikts (18. Oktober 1968)

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Massenpsychologisch gesehen sind diese Studenten unendlich allein und isoliert; sie haben keine nennenswerte soziale Gruppe hinter sich, sieht man von den Sympathien aus Intellektuellenkreisen ab. Freischwebende Intelligenz.

Sie sprechen mit ihrem von Marcuse, Adorno, Habermas rasch übernommenen Soziologenjargon eine Sprache, die in ihrer starren, formelhaften Verkürzung an die Gebetsmühlen eines neuen Parteichinesisch erinnert. Es ist alles etwas zu rasch erstarrt und »umfunktioniert«.

Schließlich fällt die Geste kindlich-großartiger Selbstsicherheit auf, die mitunter blitzschnell Züge des Terrorismus annehmen kann, wie immer bei Kindern. Ein leidenschaftlicher Aktionswille paart sich mit einem Machtanspruch, der Heiterkeit auslösen müßte, wäre das Establishment selber nicht so verdutzt und ratlos.

Zivilcourage muß man ihnen attestieren. Keine Institution ist ihnen zu mächtig – prominente Schriftsteller, kapitale Verleger, etablierte Staatsmänner, von der Justiz und Polizei ganz zu schweigen: je stabiler die Macht, um so stolzer der Stil der Provokation. »Sie wissen, meine Herren Verleger«, sagte da einer zu unseren Buch-Kapitalisten, »daß wir Sie zu gegebener Zeit enteignen werden. Im Augenblick aber bitten wir um Ihre Solidarität. Gehen Sie morgen früh [ . . . ]«. Sind das infantile Omnipotenzphantasien, die solche Worte beflügeln? Ein Hauch von pubertärer Großmannssucht geht sicher durch ihre Reihen. Ihr Verhältnis zur Masse und zur Macht ist emotional, unkritisch, aber wäre es nur pubertär, so würde es kaum Krisen dieses Umfangs auslösen.

[ . . . ]



Quelle: Horst Krüger, „Die Kinder des Liberalismus – Unsere APO, aus persönlicher Beobachtung”, Die Zeit, 18. Oktober 1968.

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