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Zuchthausvorlage (1899)

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§ 6 Wer Personen, die an einem Arbeiteraufstand oder einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd teilnehmen oder teilgenommen haben, aus Anlaß dieser Nichtbeteiligung bedroht oder in Verruf erklärt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu eintausend Mark zu erkennen.

§ 7 Wer an einer öffentlichen Zusammenrollung, bei der eine Handlung der in den §§ 1 bis 6 bezeichneten Art mit vereinten Kräften begangen wird, teilnimmt, wird mit Gefängnis bestraft.
Die Rädelsführer sind mit Gefängnis nicht unter drei Monaten zu bestrafen.

§ 8 Soll in den Fällen der §§ 1, 2, 6 ein Arbeiterausstand oder eine Arbeiteraussperrung herbeigeführt oder gefördert werden und ist der Ausstand oder die Aussperrung mit Rücksicht auf die Natur oder Bestimmung des Betriebs geeignet, die Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaats zu gefährden oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder für das Eigentum herbeizuführen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Monate, gegen die Rädelsführer Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
Ist infolge des Arbeiterausstandes oder der Arbeiteraussperrung eine Gefährdung der Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaats eingetreten oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder das Eigentum herbeigeführt worden, so ist auf Zuchthaus bis zu drei Jahren, gegen die Rädelsführer auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu erkennen.
Sind in den Fällen des Abs. 2 mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten, für die Rädelsführer Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahre ein.

§ 9 Soweit nach diesem Gesetz eine gegen einen Arbeitgeber gerichtete Handlung mit Strafe bedroht ist, findet die Strafvorschrift auch dann Anwendung, wenn die Handlung gegen einen Vertreter des Arbeitgebers gerichtet ist.

§ 10 Die Vorschriften dieses Gesetzes finden Anwendung
1. auf Arbeits- oder Dienstverhältnisse, die unter den § 152 der Gewerbeordnung fallen,
2. auf alle Arbeits- oder Dienstverhältnisse in solchen Reichs-, Staats- oder Kommunalbetrieben, die der Landesverteidigung, der öffentlichen Sicherheit, dem öffentlichen Verkehr oder der öffentlichen Gesundheitspflege dienen,
3. auf alle Arbeits- oder Dienstverhältnisse in Eisenbahnunternehmungen.

§ 11 Der § 153 der Gewerbeordnung wird aufgehoben.



Quelle: Verhandlungen des Reichstages, Stenographische Berichte, 10. Legislaturperiode, I. Session 1898/1900, 3. Anlagenband, Nr. 347. Bl. 2238f.

Abgedruckt in Willibald Gutsche, Herrschaftsmethoden des deutschen Imperialismus 1897/98 bis 1917. Berlin-Ost, 1977, S. 65-67.

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