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Oskar Panizza, Das Liebeskonzil (1895)

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Cherubim in drängendem Befehlston: Die Schlummerrolle!

Ein Engel bringt sie: Die Schlummerrolle.

Cherubim wie oben: Den Rückenwärmer.

Ein Engel bringt ein sechsfach zusammengelegtes weiches Flanellstück: Den Rückenwärmer!

Cherubim immer hastiger befehlend: Die Armpolster!

Ein Engel bringt zwei Hohlkissen für die Armlehnen: Die Armpolster.

Cherubim wie oben: Das Foulard!

Ein Engel bringt ein kirschrotes Seidentuch: Das Foulard. Während der Cherubim das Tuch um den Hals des Greisen windet, hört man

Gott Vater unartikuliert-rauh stöhnen und jammern: Aeh! – Aeh! – Aeh! – Aeh! –

Verschiedene Engel: Wo fehlt's? – Was ist? – Helft! Helft! – Wo fehlt's? –

Gott Vater mit vorgebeugtem Kopfe weiterstöhnend: Aeh! – Aeh! – Aeh! – Aeh! –

Alle Engel sammeln sich in großer Bestürzung um den Thron; einige knien nieder und schauen ängstlich gespannt auf Gott Vater: Helft! – Helft! – Wo fehlt's? – Wo fehlt's? – Göttliche Majestät, wo fehlt's? – Er stirbt uns! – Holt Maria! – Holt den Mann! – Helft! – Helft! –

Gott Vater weiter stöhnend; wird engobiert im Gesicht; aus den Augensäcken rollen große Tränen infolge der Anstrengung: Aeh! – Aeh! – Schpu! – Schpu! – Schpu! –

Ein Engel springt auf, triumphierend, mit heller, lauter Stimme: Die Spuckschale!

Alle Engel aufspringend, in klirrendem Diskant, erlösend: Die Spuckschale!!
Sie eilen zu einem Tisch, wo Medizinflaschen, Weinkaraffen, Bisquit-Gläser und dgl. stehen, und bringen eine rosa-rote Kristall-Vase.

Gott Vater räuspernd, kollernd, sich abmühend, erleichtert sich endlich.

Ein Engel nimmt die Spuckschale zurück, trägt sie, von anderen begleitet, feierlich nach hinten; ein anderer Engel wischt dem Alten mit einem seidenen Tuch den Bart ab; dann stehen alle Anwesenden, dicht gesammelt, erwartungsvoll um Gott Vater herum. – Dieser schaut erst lange mit glasig-starren Blicken im Kreise herum, packt dann plötzlich mit zitternden Händen die Krücken, die ihm im Schoß liegen, und stößt sie mit unerwartetem Ruck und heiserem, fürchtenmachendem, fingierten Gebrüll gegen die Engel vor: Wuh! – Wuh! – Die Engel fahren kreischend auseinander und fliehen zu den Türen hinaus. – Nur ein Cherubim bleibt zurück, der kniend, mit in den Händen vergrabenem Gesicht, sich vor ihm niederwirft. – Lange Pause. –



Quelle: Oskar Panizza, Das Liebeskonzil. Eine Himmelstragödie in fünf Aufzügen (1895). Frankfurt am Main: Luchterhand, 1982, S. 8-19.

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