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Frauenpolitik auf lokaler Ebene (1986)

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Eine erste Antwort auf diese Frage ist, daß wir versuchen, alle unsere Aufgaben im Parlament mit einem feministischen Blick zu sehen, einem Blick, der ausgeht von den weiblichen Lebensverhältnissen und Erfahrungen, dem privaten und öffentlichen Leben von Frauen, einem Blick, den wir in der neuen Frauenbewegung erst haben lernen müssen. Das bedeutet, insbesondere die traditionellen männlichen Politikbereiche, z. B. die Finanzpolitik oder Verkehrspolitik, mit dem feministischen Erkenntnisinteresse aufzudröseln und genauer herauszufinden, was die jeweiligen Maßnahmen oder Entscheidungen gerade für Frauen bedeuten. Wir werden das am Beispiel der städtischen Planung einer »schienennenstadt«, der vorgesehenen Herausnahme der Straßenbahn aus der Frankfurter Innenstadt noch genauer beschreiben. In diesem Zusammenhang geht es auch immer darum, sich aus der Argumentation des Sachzwanges zu lösen und die Verantwortlichen auch als Personen zu benennen. Wir lernen sie dabei kennen und uns gegen sie zu wehren, müssen uns nicht mehr nur unter dem Zwang eines übermächtigen, undurchschaubaren »Systems« fühlen, sondern sehen die Verantwortlichen als konkret handelnde Männer. Hier ist die kommunale Frauengruppe ein wichtiger Ort der Auseinandersetzung und Arbeit an diesen Themen, zugleich aber auch der zentrale Ort unserer emotionalen und politischen Unterstützung. In der Regel sind es Gruppenergebnisse, die wir dann öffentlich vertreten.

Feministische Politik heißt für uns auch, daß wir immer gegen die patriarchale Spaltung von Frauen angehen. Am Beispiel einer für die Stadt diskutierten Sperrgebietsverordnung, der städtischen Reglementierung von Prostitution, bedeutete das, daß wir uns nicht dem Motto der SPD »keine Prostitution in die Wohngebiete« angeschlossen haben und damit der Spaltung zwischen den »guten« Ehefrauen und den »schlechten« Prostituierten, sondern daß wir uns gegen jegliche Reglementierung der Prostitution ausgesprochen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung der in der Prostitution tätigen Frauen gefordert haben.

Die patriarchale Spaltung zwischen Frauen innerparlamentarisch anzugehen, d. h. zu einer partiellen Zusammenarbeit mit den Frauen aus den anderen Fraktionen zu kommen, ist uns bisher noch nicht gelungen. Nachdem alle Parteien die »Frauenfrage besetzt« haben, bestehen eher Konkurrenzverhältnisse zwischen uns Frauen. Zudem unterscheiden sich unsere Forderungen oder Beiträge in der Regel von denen der Frauen aus anderen Parteien in ihrer Radikalität. Als Beispiel sei hier die alte ASF* -Forderung nach kommunalen Frauenbüros angeführt. Auf den für uns nicht akzeptablen Antrag der SPD reagierten wir mit einem Ergänzungsantrag, der eine Ausweitung der Kompetenzen und der personellen Besetzung forderte. Mit den SPD-Frauen konnten wir uns dann auf einen Kompromiß einigen. Die CDU-Frauen verteidigten hingegen die als »Neuland« (von der CDU-Mehrheit) gepriesene Einrichtung einer »Ein-Frau-Gleichstellungsstelle«, deren Kompetenzen sich in denen einer Ombudsfrau der Stadtverwaltung erschöpfen. Darüber hinaus gab es bisher allerdings noch keinen Versuch von den Parteifrauen aus SPD oder CDU, mit uns einen Kompromiß zu erarbeiten.


*ASF: Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen – Hg.

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