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Aufruf der westfälischen Agrarier (Sezessionisten) (1893)

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Unsere deßfallsigen bescheidenen Wünsche, wenigstens für zwei weitere Wahlkreise bei der bevorstehenden Reichstagswahl Landwirthe als Abgeordnete aufzustellen, sodaß von den 9 Wahlkreisen 4 von solchen vertreten würden, sind nun von der Versammlung der Vertrauensmänner der Centrumspartei Westfalens am 24. Mai durch Übergang zur Tagesordnung abgelehnt worden.

Damit ist die Nichtanerkennung unserer berechtigten Wünsche, die Zurückstellung der Lebensinteressen der Westfälischen Landwirthschaft hinter einen einseitigen Parteistandpunkt ausgesprochen.

Wir standen und stehen als Katholiken unentwegt fest und treu zu dem Programm der Centrumspartei in den religiös-politischen und christlich-socialen Fragen und folgen auch ferner der Fahne, die die Mallinckrodt, Reichensperger, Windthorst, Schorlemer, Franckenstein, Ballestrem aufgepflockt und hochgehalten haben. Wir wollen als freie deutsche Staatsbürger frei unseren katholischen Glauben ausüben können und verlangen Abschaffung aller dies noch behindernder Gesetze. Wir wollen aber auch als Westfälische Bauern, wie unsere Vorfahren, im Besitze unserer vererbten Höfe bleiben und unser bedrohtes Eigenthum nicht ohne den erbittersten Kampf uns nehmen lassen. Deshalb verlangen wir, daß die Abgeordneten, denen wir unsere Stimme geben:

1. Festhalten in allen religiös-politischen und socialen Fragen an dem altbewährten Programm
des Centrums.
2. Eintreten für den Schutz der produktiven Stände – des Bauernstandes, Handwerkerstandes und der
kleinen Gewerbe durch Ablehnung jeder Zollermäßigung unserer Produkte, Sperrung unserer Grenzen
gegen Einfuhr von Vieh aus verseuchten Ländern, Eintreten für Beschränkung des Börsenspiels mit den
wichtigsten Nahrungsmitteln, für internationale Regelung der Währungsfrage, für Einführung des
Befähigungsnachweises und obligatorischer Innungen, Beschränkung des Hausirhandels, Einschränkung
der Militärhandwerkerstellen und der Zuchthausarbeit.
3. Eintreten für Verminderung der drückenden Militärlasten durch Einführung 2jähriger Dienstzeit, Schonung
der älteren Landwehrmänner im Kriegsfalle, Heranziehung der Wohlhabenden vom aktiven Dienst Befreiten
zu einer entsprechenden Wehrsteuer.
4. Sicherstellung des Friedens durch die Erhaltung einer für die Verteidigung unserer Grenzen und den
Schutz unseres Vaterlandes hinreichend starken Armee. Deshalb erwarten wir von unseren Abgeordneten,
daß sie als freie Männer, entsprechend den alten bewährten Grundsätzen der Centrumspartei, sich nicht
durch Versprechen vor der Wahl binden und binden lassen, sondern sich die freie Entscheidung darüber
vorbehalten, was sie im Interesse des wahren Wohles des Vaterlandes für gut und zutreffend erachten.

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