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Programm der Reichs- und Freikonservativen Partei (27. Oktober 1867)

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Ebenso dem echt konservativen Geist entsprechend, zollen wir unumwundene Anerkennung dem Eintritt dieser Monarchie in die Reihe der konstitutionellen Staaten. Der Absolutismus hat in Preußen seine glanzvolle Vergangenheit. Nirgend in der Welt hat er ein unvergänglicheres Denkmal hinterlassen, als diesen Staat, das Werk königlicher Machtvollkommenheit. Aber die Zeiten des Absolutismus sind vorüber. Heutigen Tages würde er vernichten, was er einst mit schöpferischer Kraft ins Leben gerufen. Nicht allein bedarf unser Volk, wie alle zivilisierten Nationen dieses Zeitalters, zur eigenen Befriedigung einen rechtmäßigen Anteil an der Bestimmung seiner Geschicke; das Königtum selbst erfordert die Mitarbeit des Volkes zur Erfüllung seiner hohen Sendung. Nur die Krone eines freien Landes gebührt unserem Fürsten; sein Thron ruht am sichersten auf dem Willen freier Männer.

Die Staatsverfassung ehren wir als eine Stärkung des Königtums, als eine Entfaltung des Volkstums, als die Gewähr der Freiheit der Kirche, der Parität der Konfessionen, der Loslösung politischer Rechte vom religiösen Bekenntnis. Wir verwerfen den „Scheinkonstitutionalismus“ als Herabwürdigung und Entsittlichung des öffentlichen Lebens; ebenso bekämpfen wir die überlebte, doch immer fortwirkende Lehre von der Teilung der Gewalten, der wir den Grundsatz von der Gemeinschaftlichkeit der Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt mit Bewußtsein entgegenhalten.

Die Partei, welcher wir angehören, steht auf dem Boden des Staatsgrundgesetzes. Solcher freikonservativen Richtung getreu, fordern wir den Ausbau der Verfassung. Er gelangt zu seinem Abschlusse nicht schon dadurch, daß das Verhältnis von Regierung und Volksvertretung verfassungsmäßig und würdig geordnet ist, daß die Herrschaft des Gesetzes an der obersten Zentralstelle des Staates befestigt und Beamtenwillkür ausgeschlossen wird, vielmehr erst dann, wenn die Grundlagen des Staatslebens von dem Geiste der Freiheit durchdrungen sein werden. Kein Wahlrecht leistet Bürgschaft für das Dasein wahrer Freiheit. Ihr Wesen und ihren Segen vermögen wir nicht darin zu erblicken, daß möglichst viele berufen sind, mitzuregieren, sondern einfach darin, daß gegenüber einer starken Regierung überall ein Bereich selbständigen Wollens und Handelns, gestützt auf Recht und Gesetz, sich geltend machen darf. Den Abschluß freiheitlicher Entwicklung suchen und finden wir in der Selbstverwaltung aller Gliederungen des Volkes.

Wir erstreben daher die Sicherung selbständigen Lebens, in Haus und Hof, in Beruf und Gewerbe, unter Arbeitern und Arbeitgebern, in Kunst und Wissenschaft, in Stadt und Land, Kreis und Provinz. Wie unsere Staaten nach deutscher Weise sich ihre Besonderheit im norddeutschen Bunde wahren, so wollen wir, daß unbeschadet der Einheit und obersten Aufsicht des Staates, sich innerhalb desselben alle lebendigen Teile in freier Selbstbestimmung bewegen. Dieses Ziel unseres Strebens bedingt eine durchgreifende Reform wesentlicher Prinzipien der Verwaltung.

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