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Eduard Stephani an Rudolf von Bennigsen über nationalliberale Motive, Bismarck zu unterstützen (14. Juli 1878)

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offene Opposition, solange nicht die Regierung durch ihre späteren Vorlagen dazu zwingt. Jetzt dürfen wir uns nicht ins offene Oppositionslager der Fortschrittspartei treiben lassen, mit der wir ja jetzt natürlich äußere Fühlung suchen müssen, aber doch schlechterdings uns nicht identifizieren dürfen. Es ist wahr, sehr schwer wird es uns gemacht, diese besonnene Stellung zu behaupten, aber es kommt eben darauf an, daß wir diese harte Probe bestehen, daß wir besonnener sind als Bismarck. Die Provokationen von seiten Bismarcks und der Konservativen sind ja zum Teil unerträglich, wir müssen sie abwehren, aber nicht, wie jetzt teilweise die nationalliberale Presse tut, zu einer aggressiven Opposition übergehen. Je toller jetzt Bismarck ist, um so fester und besonnener müssen wir sein. Wenn wir, wie das jetzt hier und da erklingt, dem Wahlkampf die persönliche Färbung geben: Lasker kontra Bismarck, da haben wir die Nation nicht hinter uns, da machen wir schmählich Fiasko. Ich fühle das jetzt schon heraus aus dringenden mir zugekommenen Beschwerden, Mahnungen. In einer Versammlung in Leipzig ward ich vor ein paar Tagen bitter deshalb interpelliert. Die stark konservative Strömung in Leipzig, die sich wieder etwas beruhigt hatte, hat durch diese Haltung unsrer Presse wieder neue Nahrung gewonnen. Wird diese Haltung fortgesetzt, so verlieren wir damit nicht nur einige Wahlkreise, wir schwächen auch den inneren Zusammenhang unsrer Partei und führen vielleicht sogar eine wirkliche Trennung herbei. Welcher Triumph für Bismarck, der ja jetzt ohnedies durch den Kongreßerfolg neue Kraft gewonnen hat, obwohl in meinen Augen (mit Ausnahme dessen, daß er für jetzt die Allianzen gegen Deutschland zerstört hat, weil Bismarck alle Mächte wie die Hunde über den Knochen aneinander gehetzt und des weiteren, daß er nun Österreich noch entschiedener die Frontrichtung gegen Osten und von Deutschland abgelenkt gegeben hat) der ganze Kongreßerfolg doch noch sehr zweifelhafter Natur ist und daher in die Kategorie der vorübergehenden Erfolge eines gewaltigen Intriganten gehören dürfte. Aber für den Augenblick hat sicher Bismarcks Autorität und Popularität hierdurch mächtig gewonnen, und wenn wir gerade in diesem Augenblick dem Wahlkampf einen so prononciert persönlichen Charakter gegen Bismarck geben wollen, so antwortet uns ein Hohngelächter aus der Nation, wir unterliegen schmählich und bewirken damit, daß auf unbestimmte Zeit hinaus die gemäßigten Mittelparteien die Führung in Deutschland verlieren und unbekannte Größen in ewigem Schwanken und Wechsel sich ablösen werden. Deshalb, bitte, erheben Sie Ihre Stimme und gebieten Sie Einhalt der falschen Kampfesweise, die man jetzt zum Teil in Berlin angenommen hat.



Quelle: Hermann Oncken, Hg., Rudolf von Bennigsen. Ein deutscher liberaler Politiker. Nach seinen Briefen und hinterlassenen Papieren, Bd. II, Von 1867 bis 1902. Stuttgart, 1910, S. 378-80.

Abgedruckt in Hans Fenske, Hg., Im Bismarckschen Reich 1871-1890. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1978, S. 194-96.

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