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August Bebels Rede im Norddeutschen Reichstag gegen den Deutsch-Französischen Krieg und die Annexion von Elsass-Lothringen (26. November 1870)

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nicht geben – und erst der geehrte Herr Vorredner hat von der Reichstagstribüne dasselbe proklamiert –, obgleich wie gesagt die Thronrede der französischen Nation alle Anerkennung widerfahren läßt und sie eine edle Nation nennt. Meine Herren, ich bezweifle allerdings nicht, daß diese Taktik, die sich gerade neuerdings wieder in der Thronrede geltend gemacht hat, eine sehr wohl berechnete ist; man sagt sich und man sagte es sich auch im Jahre 1866, als man nach Böhmen zog, daß es außerordentlich wichtig sei, unter dieses Nationalitätenkonglomerat, welches Österreich beherbergt, Unzufriedenheit und Zwietracht zu säen. Damals erließ der König von Preußen auch eine Proklamation an die »tapfere und große Nation der Böhmen«, man suchte sie gegen den Kaiserstaat Österreich aufzuhetzen, und für Ungarn wurde die ungarische Legion unter dem bekannten Klapka errichtet, um auch das ungarische Volk gegen den österreichischen Kaiserstaat einzunehmen.

Die Bemerkung, die der König von Preußen in seiner Thronrede vom 17. Juli machte, war meines Erachtens ebenfalls wesentlich darauf berechnet, den möglicherweise bestehenden Zusammenhang und das Einverständnis unter dem französischen Volke und der französischen Regierung auseinanderzubringen, indem man das Volk und seine Regierung in sehr unmonarchischer Weise zu trennen suchte, und auch in dem gegenwärtigen Augenblick geht man von dem Grundsatze aus, zwischen der republikanischen Regierung, die die Macht in Händen hat, und dem Volke die Zwietracht zu schüren und Spannung zu bringen. Deshalb wird in der neuesten Thronrede Volk und Regierung künstlich auseinandergehalten, indem man sagt: Du, Volk, bist allerdings unschuldig, bisher sind nur die wenigen, die an der Spitze stehen, schuld an dem ganzen Elend, das heut über dich kommt. Allein sicher vergebens. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Opfer, die Frankreich bringt, kolossal sind, daß es auf lange Jahre in den schönsten Teilen des Landes ruiniert ist, daß Millionen von Menschen für ihre Lebenszeit materiell ruiniert sind, aber ich hätte es für sehr passend gefunden, daß, wenn man es für notwendig hielt, in der Thronrede das Unglück hervorzuheben, welches dem französischen Volke aus diesem Krieg erwächst, doch auch in der Thronrede von dem Unglücke die Rede gewesen wäre, welches dem deutschen Volke aus diesem Kriege bereits erwachsen ist und noch erwachsen wird. Denn, meine Herren, es läßt sich nicht verkennen, daß die Opfer, welche das deutsche Volk gebracht hat in diesem Kriege und täglich bringen muß, ziemlich gleich kommen denen, die dem französischen Volke auferlegt sind, daß auch das deutsche Volk riesige Opfer hat bringen müssen, daß Hunderttausende um ihre Existenz gebracht sind, daß Hunderttausende zu Krüppeln geworden, daß Tausende und aber Tausende um das Leben gekommen sind, daß also auch das deutsche Volk angesichts der ungeheuren Opfer, die es gebracht hat, verlangen darf, daß endlich einmal Friede und ein Zustand geschaffen wird, damit die Massenschlächterei endlich ein Ende nehme. Andrerseits, meine Herren, wenn ich sehe und höre, wie in ganz Deutschland 4000 und mehr Zeitungen seit Monaten unausgesetzt den Patriotismus und die Opferwilligkeit des deutschen Volkes anzustacheln bemüht sind, und dann in Betracht ziehe, was die verbündeten Regierungen für gut befunden haben, in den Motiven zu der hier vorliegenden neuen Anleihe niederzulegen, da muß ich allerdings gestehen, daß man in Wahrheit sagen kann:

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