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In einem Brief an Eduard Lasker ringt Karl Biedermann mit der Haltung des Liberalismus zu Ausnahmegesetzen (1872)

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Allerdings bin auch ich der Meinung, daß, nachdem einmal Reichsregierung und Bundesrat die Initiative zu einer direkten Aktion gegen die Jesuiten ergriffen haben (ich hätte andere Maßregeln für richtiger und wirksamer gehalten), der Reichstag durch eine bloße Ablehnung des Gesetzentwurfes deren Autorität schädigen und den Gegnern erwünschten Vorschub leisten würde. Ich glaube daher, der Reichstag sollte durch eine Amendierung, die freilich die ganze Tendenz des Gesetzes ändern müßte, diesem eine Wendung geben, welche das Gehässige und in der Tat Gewalttätige daran (als Ausnahmegesetz der schlimmsten Art) beseitigte, gleichwohl den Zweck selbst einen Schlag gegen die Jesuiten auf andere Weise unbedenklich machte. (Ich denke z. B. an einen Zusatz zu § 128 des Strafgesetzbuches, welcher die Mitgliedschaft an einer geheimen Verbindung mit auswärtigen Obern neben der dort schon vorgesehenen Freiheitsstrafe mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (§ 32 ff.), auch wohl mit der Stellung unter Polizeiaufsicht (§ 38) bedrohen könnte. Das schlösse vom Wahlrecht, von Ämtern usw. aus!) Wäre zu hoffen, daß in unserer Fraktion, die ja wie die Macht, so auch den Beruf dazu vor allen hätte, ein solcher Gedanke Platz greift (und wenn jemand so könnten Sie ihm dort Geltung verschaffen), so würde ich (wie sehr auch hier festgehalten teils durch Berufsgeschäfte, teils durch Familiennot, die noch immer nicht ganz beseitigt ist) den Beratungen in der Fraktion über den Gesetzentwurf gern beiwohnen. Wäre dies nicht und würde es sich einfach um ein Ja oder Nein zum Gesetzentwurf im Plenum handeln, so würde ich mit mir zu Rate gehen, ob ich zur Abstimmung nach Berlin gehen sollte, führe aber nur um mit Nein zu stimmen.

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Die ganze Angelegenheit hat mich so ergriffen, daß ich mich ordentlich unwohl fühle. Selten habe ich so entschieden das Gefühl gehabt, daß etwas nicht geschehen sollte, und daß es leider dennoch geschehen werde.



Quelle: Nachlaß Eduard Lasker

Abgedruckt in Julius Heyderhoff und Paul Wentzcke, Hg., Deutscher Liberalismus im Zeitalter Bismarcks. Eine politische Briefsammlung, 2 Bde., Bd. 2, Im neuen Reich 1871-1890. Politische Briefe aus dem Nachlaß liberaler Parteiführer, Hg. Paul Wentzcke. Bonn, Leipzig: Kurt Schroeder Verlag, 1926, S. 53-54.

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