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Kabinettsorder Kaiser Wilhelms II. über den Offiziersstand (29. März 1890)

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Offizier von Altersher ausgezeichnet haben. In diesem Sinne mit Aufbietung aller Kräfte zu wirken, ist die Aufgabe der Truppenkommandeure. Unausgesetzt haben sie es sich klar zu machen, daß es heutzutage mehr wie je darauf ankommt, Charaktere zu erwecken und groß zu ziehen, die Selbstverleugnung bei ihren Offizieren zu heben, und daß hierfür das eigene Beispiel in erster Linie mitwirken muß. Wie Ich es den Kommandeuren erneut zur Pflicht mache, den mancherlei Auswüchsen des Luxus zu steuern, die in kostspieligen Geschenken, in häufigen Festessen, in einem übertriebenen Aufwande bei der Geselligkeit und ähnlichen Dingen zu Tage treten, so halte Ich es auch für angezeigt, der Auffassung nachdrücklich entgegenzutreten, als sei der Kommandeur selber vermöge seiner Dienststellung zu umfangreichen Ausgaben für Repräsentationszwecke verpflichtet. Ein jeder Offizier kann sich durch angemessene Förderung einer einfachen, standesgemäßen Geselligkeit Verdienste um seinen Kameradenkreis erwerben; zum »Repräsentiren« aber sind nach Meinem Willen nur die kommandirenden Generale verpflichtet, und darf es in Meiner Armee nicht vorkommen, daß gutgediente Stabsoffiziere mit Sorgen den Geldopfern entgegensehen, die mit dem etwaigen Erreichen der Regiments-Kommandeurstellung vermeintlich ihrer warten. Ich werde Mir von Zeit zu Zeit neben den Eingaben über die Offizieraspiranten Nachweisungen über die bei den Truppentheilen üblichen Zulagen und die Gehaltsabzüge vorlegen lassen. Wie Ich hiermit bestimme, daß Mir solche Offiziere namhaft zu machen sind, welche den auf Vereinfachung des Lebens gerichteten Einwirkungen ihrer Vorgesetzten nicht entsprechen, so werde Ich die Kommandeure wesentlich mit danach beurtheilen, ob es ihnen gelingt, einen geeigneten und ausreichenden Nachwuchs an Offizieren heranzuziehen und das Leben ihrer Offizierkorps einfach und wenig kostspielig zu gestalten. – Ich wünsche von Herzen, daß ein jeder Meiner Offiziere nach erfüllter Pflicht seines Lebens froh werde. Dem überhandnehmenden Luxus in der Armee muß aber mit allem Ernst und Nachdruck entgegengetreten werden.

Berlin, den 29. März 1890.
Wilhelm R.



Quelle: Militär Wochenblatt, Jg. 75, Nr. 32, Berlin, 1890, 9. April 1890, S. 1009-12.

Abgedruckt in Gerhard A. Ritter, Das Deutsche Kaiserreich 1871-1914. Ein historisches Lesebuch, 5. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1992, S. 95-97.

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