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Eugen Richter über den deutschen Adel (1898)

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In dem "Deutschen Adelsblatt" wurden im August 1897 bei Besprechung einer Statistik der Adligen in Berlin diejenigen, welche sich bürgerlichen Erwerbszweigen als Kaufleute, Fabrikanten, Agenten zugewendet haben, als "gescheiterte Existenzen" bezeichnet. Gewissermaßen zum Troste für diese "gescheiterten Existenzen" wird beigefügt, durch den Hinzutritt Adliger, "die keine Profitwut kennen, werde der Kaufmannsstand gehoben". Die Korrespondenz für Zentrumsblätter brachte jenen Herren vom "Deutschen Adelsblatt" mit dem alten Stammbaum in Erinnerung, daß sie vielleicht unter ihren Ahnen solche haben, die seiner Zeit "aus dem Stegreife lebten" und dem Grundsatze huldigten:

Reiten und Rauben ist keine Schande,
Es thun's die Edelsten im Lande,

indem sie dem Kaufmann am Wege auflauerten und ihm mit Gewalt seine Habe nahmen. Vollends sonderbar nimmt sich der Satz von den Adligen aus, die "keine Profitwut kennen", wenn man an die Herren denkt, die im Bunde der Landwirte jetzt den Ton angeben und in ihren Forderungen à la Kanitz usw. sicher die hervorragendsten Meister edeler Bescheidenheit und die abgesagtesten Verächter jeder "Profitwut" sind.

Weiterhin führt das Adelsblatt Klage darüber, daß 202 Adlige in Berlin sich mit Subaltern= oder Unterbeamtenstellen behelfen müssen, und sagt von ihnen: "Hier kann man noch mit mehr Berechtigung von einer gesellschaftlichen Gesunkenheit sprechen."



Quelle: Eugen Richter, Politisches ABC-Buch: Ein Lexikon parlamentarischer Zeit- und Streitfragen. Neunte Ausgabe, Berlin, 1898.

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