GHDI logo

Wie Metallarbeiter um 1910 ihre Arbeit empfanden (1912)

Seite 2 von 4    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Ein 32jähriger Werkzeugschlosser; 9¾ Std., 36 M.: „Die Arbeit an sich macht mir sehr viel Freude. Ich glaube sogar, sie zur Erhaltung meines Gleichgewichts zu bedürfen. Es ist dies allerdings nicht der Fall, wenn ich anhaltend monotone Arbeit verrichten muß. Dann kann sich die Unlust bis zum Ekel steigern. In Zeiten, da ich ganz im Banne von Zukunftsstaatsplänen war, verursachte mir die Erkenntnis von der sozialen Unwichtigkeit meiner Hand eine Geringschätzung meiner Arbeit, was natürlich auch das Interesse an ihr erlahmen ließ. Heute ist meine berufliche Arbeit wieder meine mich nährende Kuh geworden, und schäme ich mich, wenn ich Interesselosigkeit verspüre.“

Ein 33jähriger Schmied; 9½ Std., 35 M.: „Ich habe mich mit der Arbeit insofern abgefunden, da ich weiß, daß jeder Kulturfortschritt nur auf der Arbeit beruht und die meine ebenso wertvoll ist wie jede andere.“

Ein 34jähriger Mechaniker; 8 Std., 36 M.: „Im großen und ganzen macht mir meine Arbeit Vergnügen. Es kommen natürlich auch Arbeiten vor, bei denen das Interesse nicht so groß ist, weil sie weniger Fertigkeit und Nachdenken erfordern. Da muß man sich trösten, daß diese Arbeit ja auch gemacht werden muß und das nächste Mal bessere Arbeit an die Reihe kommt.“

Ein 35jähriger Eisendreher; 8 Std., 40 M.: „Meine Arbeit bereitet mir kein Vergnügen, da mich stets der Gedanke dabei plagt, daß ich nur soweit besoldet werde, um meine körperliche Energie in Harmonie zu halten. Also ich bin ein Sklave. Folglich geht mir das Interesse an der Arbeit verloren.“

Ein 36jähriger Dreher; 10 Std., 32 M.: „Ja. Solange ich nicht daran denke, für wen ich arbeite und daß ich als Entgelt nur eine Entschädigung erhalte. Gern würde ich nur für die Allgemeinheit arbeiten.“

Ein 37jähriger Metallarbeiter; 9½ Std., 27 M.: „Will ich meine Familie ehrlich durchbringen, muß ich mit Vergnügen arbeiten, weil ich dann mehr fertig bringe.“

Ein 38jähriger Scherenschleifer; 10 Std., 28 M.: „Es macht grade nicht viel Vergnügen, aber man hat doch mitunter eine gewisse Arbeitsfreude, wenn man vom Fabrikanten freundlich behandelt wird.“

Ein 39jähriger Dreher; 8 Std., 40 M.: „Interesse habe ich an der Arbeit, aber Vergnügen macht sie schon lange nicht mehr, wenn man mitansehen muß, wie schwache Kollegen von minderwertigen Meistern schikaniert werden.“

Ein 40jähriger Metallschleifer; 9½ Std., 30 M.: „Meine Arbeit macht mir kein Vergnügen, und jeder Tag ist für mich verloren, und wird für mich zur Höllenqual.“

Ein 41jähriger Maschinenschlosser; 9 Std., 40 M.: „Wenn man mich anständig behandelt, arbeite ich gern und mit ganzem Interesse. Da ich den Grundsatz besitze, wie man sich wehrt, so wird man geehrt, so habe ich auch in meiner jetzigen Stellung mir die Achtung als Arbeiter erworben.“

Ein 42jähriger Metallarbeiter; 11 Std., 25 M.: „Stellen Sie sich vor, Sie hätten bereits 24 Jahre jeden Morgen eine Kaffeemühle genommen und dann im Akkord täglich 11 bis 13 Stunden gedreht, so können Sie vielleicht begreifen, wieviel Interesse ich meiner Arbeit entgegenbringe.“

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite