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1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?
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1. Staat und Regierung   |   1.A. Staatenbund oder Nationalstaat?   |   1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?   |   1.C. Emanzipation der Juden   |   2. Parteien und Organisationen   |   3. Militär und Krieg   |   4. Wirtschaft und Arbeit   |   5. Natur und Umwelt   |   6. Geschlecht, Familie, und Generationen   |   7. Regionen, Städte, Landschaften   |   8. Religion   |   9. Literatur, Kunst, Musik   |   10. Die Kultur der Eliten und des Volkes   |   11. Wissenschaft und Bildung

Eine weitere heiß umstrittene Frage der Zeit war die Form der Regierungsgewalt. Sollte die Exekutive, das hieß, die deutschen Monarchen, weiterhin autoritär regieren, oder sollte ihre Macht durch eine Verfassung eingeschränkt werden, die die Machtbefugnisse einer gewählten Legislative genau definierte und das Recht auf öffentliche Diskussion politischer Angelegenheiten garantierte?

Ein prominenter Fürsprecher und Vertreter autoritärer (oder, wie Zeitgenossen es bezeichnet hätten, absolutistischer) Herrschaft war der österreichische Kanzler Clemens Fürst von Metternich (1773-1859). In einem Brief vom 17. Juni 1819 an seinen Privatsekretär (heute würde man wohl eher politischer Mitarbeiter sagen) Friedrich Gentz verurteilte Metternich die Gegner absolutistischer Herrschaft, die er als unruhestiftende Intellektuelle ausmachte. Metternich wandte sich insbesondere gegen die Pressefreiheit und eine konstitutionelle Regierung und vertrat die Auffassung, dass diese vielleicht in England oder Frankreich akzeptabel seien, auf keinen Fall jedoch in den deutschen Ländern. In seinem politischen Testament, das er 1820 verfasste, erweiterte er das in seinem Brief an Gentz dargelegte Argument und führte aus, dass das gemeine Volk autoritäre Herrschaft akzeptiere, während der Widerstand dagegen vor allem aus den gehobenen Schichten und von antiklerikalen Freidenkern komme. Zugleich rief er die Monarchen in ganz Europa zu gemeinsamem Handeln auf, um ihre Herrschaft zu sichern.

Metternichs Vorschläge waren leichter gemacht als umgesetzt, und selbst autoritäre Regierungen, die Verfassungen und gewählte Legislativen entschieden ablehnten, fanden es nach wie vor nötig, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Der Brief des preußischen Ministers für Bildungs- und Religionsangelegenheiten, Karl Friedrich von Eichhorn, an den preußischen Innenminister, Adolf-Heinrich Graf von Arnim, vom 7. Juni 1844 behandelt, ähnlich wie Metternich, die gegen die Regierung gerichteten Aktivitäten unruhestiftender Intellektueller in der preußischen Rheinprovinz. Um diesen entgegen zu treten, versuchte Eichhorn, finanzielle Mittel zur Unterstützung einer Zeitung zu sammeln, die konservativen und regierungsfreundlichen Stimmen Raum geben und die öffentliche Meinung für sich gewinnen sollte.

Das Staats-Lexikon war eine zwölfbändige Enzyklopädie politischer Ideen, die erstmals in den 1830er-Jahren erschien. Seine Herausgeber und Autoren waren Verfechter des politischen Liberalismus und einer konstitutionellen Regierungsform. In den Auszügen aus dem Artikel „Constitution“ wies Carl von Rotteck (1775-1840), Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Freiburg, einer der Herausgeber des Staats-Lexikons und führender Liberaler im Großherzogtum Baden, vorsichtig auf den Unterschied zwischen absolutistischer und konstitutioneller Regierungsform hin und argumentierte, dass ganz Europa vor der Entscheidung zwischen diesen beiden Regierungsformen stehe.

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